Jedes Jahr zur Weihnachtszeit muss ich mein halbgares Lateinwissen aus der Schule auspacken und allen Leuten ungefragt erklären, dass Advent von advenire kommt, was wiederum ankommen heißt.
Warum ich das mache, weiß ich nicht. Aber mein innerer Klugscheißer ist jedes Mal hocherfreut.
Jedenfalls hab ich’s gerade schon wieder getan – doch aus wenigstens fast gutem Grund.
Denn wenn ich so zu Hause sitze, Rum-Kakao schlürfe und Märchen inhaliere, frage ich mich doch öfter mal, ob das jetzt dieses Ankommen ist. Ob ich’s „geschafft“ hab. Ob man jemals irgendwo wirklich ankommt.
Alltag
Mit mittlerweile 25 hat sich mein Leben bis zu einem gewissen Punkt gut eingependelt. Ich lebe mit dem Mann zusammen in einer meistens ziemlich aufgeräumten Wohnung, wir haben zwei Katzen und mein Job ist okay. Das ist sicher alles, was man als „geregelte Bahnen“ bezeichnen könnte. Böse Stimmen könnten es auch einfach „langweilig“ nennen.
Weil ich aber ein Gewohnheitstier ohnegleichen bin, mag ich meine Langeweile. Sie ist verlässlich und entspannt mich und dient mir als gute Basis.
Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, angekommen zu sein. Denn Ankommen klingt nach Endstation und ich habe noch einiges vor. Aber hat man nicht immerzu noch einiges vor?
Aussichten
An die Frage kann ich noch viele weitere Fragen anknüpfen. Die, die mich am meisten beschäftigt, ist jedoch: Wieso haben wir das Gefühl, ständig noch etwas erledigen zu müssen? Noch ein bisschen mehr erleben, mehr Karriere machen, mehr Geld verdienen, besser einen Partner finden, besser eine Liebe loslassen, sich noch ein bisschen mehr selbst leiden können.
Warum wollen wir ständig einen Part unseres Lebens maximieren und wenn wir ihn vollkommen ausgeschmückt und vollgestopft haben, zum nächsten übergehen, um wieder genau das Gleiche zu tun?
Ich könnte jetzt Studien auskramen und über unsere Psyche sprechen, über unser Gehirn, das sozialen Vergleich liebt. Und Dopamin. Vor allem Dopamin. Denn etwas zu erreichen, gibt dem Fleischklumpen in unserem Kopf einen ziemlichen Kick. Der hält jedoch nicht lang an und man muss einen neuen Reiz finden.
Das bedeutet: Wenn ich an einem bestimmten Punkt angekommen bin, will ich nach höchstens zwei Wochen zum nächsten hüpfen. Und zum nächsten. Und zum nächsten. Bis ich röchelnd in einem Krankenbett liege und mich frage, warum ich mein Leben nicht einmal drei Sekunden lang einfach bloß genießen konnte.
Morbide? Ja, ein wenig.
Keinesfalls bin ich dagegen, in meinem Leben unterschiedliche Dinge zu erreichen. Ich schätze es sogar sehr an anderen Menschen, wenn sie aus Träumen Ziele machen und fleißig an ihnen arbeiten. Aber ich glaube, das Gefühl von Ankommen sollten wir dabei nicht vergessen, die Ruhe, das Durchatmen.
Wahrscheinlich nennen wir es deshalb auch Advent.
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