Jeden Nachmittag nach der Schule bin ich so schnell wie möglich nach Hause gerannt. Warum? „Schloss Einstein“ lief und ich wollte keine Sekunde verpassen. An besonders guten Tagen kam auch noch „Endlich Samstag“ oder „Das Blockhaus TV“. Es war mir egal, wie oft ich die Folgen schon gesehen hatte, ich war süchtig. Gehen wir in den Jahren noch weiter zurück, waren meine Favoriten „Der Bär im großen blauen Haus“, „Sissi“ und „SimmsalaGrimm“. Diese hatten außerdem die besten Titellieder aller Zeiten.
Die Serien sind mit mir gewachsen. In den späten Teenagerjahren hab ich dann zum Beispiel „How I met your mother“ nach der Schule geschaut. Davon liefen auf dem allbekannten Sender mit der 7 so rund 400 Folgen am Tag. Aber bis dahin war das alles nur Zeitvertreib. Richtig verliebt hab ich mich das erste Mal in eine Serie als ich die erste Folge „Greys Anatomy“ geschaut habe.
Hintergrundmusik und Dauerschleife
Während ich diesen Beitrag schreibe läuft der Klassiker aller amerikanischen Arztserien im Hintergrund. Staffel 10, Folge 18 – um genau zu sein. Mittlerweile kann ich gar nicht mehr sagen wie oft ich mir das schon angeschaut habe. Immer wenn ich in der letzten Staffel ankomme, fang ich direkt wieder von vorne an. Über die Jahre sind noch andere dazugekommen. „Friends“ und „Gilmore Girls“ lösen bei mir ebenfalls keine Langeweile aus. Wenn ich ehrlich bin, wird sich bald auch „The Office“ dieser Reihe angliedern. Nachdem Netflix diese endlich hinzugefügt hatte, dauerte es nicht lange bis ich alle Folgen durchgesuchtet hatte und ich hab auch schon wieder von vorn begonnen. Aber warum? Warum mach ich das überhaupt? Manchmal schau ich intensiv zu, manchmal starre ich nur auf dem Bildschirm und meistens läuft es beim Kochen oder Putzen im Hintergrund. Aber wieso nervt mich das nicht?
Da heutzutage alles einen Namen hat, können wir auch dieses Phänomen benennen: Comfort-Binge-Watching. Ich bin damit nämlich nicht alleine. Viele Menschen verlieren sich in Serien oder auch Filmen, die sie schon hundert Mal gesehen haben.
Bis die Augen viereckig werden
Binge-Watching löst vor allem eines bei uns aus – Dopamin, das Glückshormon, wird ausgeschüttet. Wir fühlen uns einfach gut dabei und können entspannen. Wir entfliehen dem Alltag und tauchen in andere Welten ein. Und wir können dazu noch zwischen unfassbar vielen Möglichkeiten wählen. Außerdem wird schon beim Erstellen der Serien ordentlich getrickst, dass wir gar nicht aufhören können. Und mal ganz ehrlich, es ist schon deutlich cooler, dass man heute Serien komplett in einer Sitzung schauen kann anstatt jede Woche auf die Veröffentlichung einer einzelnen neuen Folge warten zu müssen. Ich hab mich schon so daran gewöhnt, dass ich manche Serien gar nicht erst anfangen will, weil mir meine Geduld und der Konsum dermaßen antrainiert wurde.
Entspannung geht über Spannung
Dann stellt sich aber erst Recht die Frage warum ich so alte Kamellen wie „Friends“ immer wieder schaue. Ich hab es doch nun schon gesehen, warum fang ich denn nichts Neues an? Angebot gibt es mehr als mir gut tut. Egal auf welchen Seiten ich bei meiner Recherche lande, eine Sache tritt immer wieder auf. Die Serien fühlen sich „wie zuhause an“. Ich kenne sie genauso gut wie das Bild, das ich an der Wand hängen habe. Man muss sich nicht auf neue Handlungsstränge oder Figuren einlassen. Einfach gesagt: Es gibt keine Überraschungen. Ich bin vertraut mit den Charakteren und baue eine Bindung zu ihnen auf. Gerade wenn es mir schlecht geht und mich meine eigene Erlebenswelt überfordert, bieten Chandler und Joey mir Geborgenheit. Es ist auch gar nicht schlimm, dass ich mich nicht voll auf die Geschehnisse konzentrieren kann, denn ich weiß ja eh schon was passiert. Außerdem sind unsere Comfort-Shows eher Feelgood Serien, wo nicht, wie bei „Game of Thrones“ beispielsweise, alle paar Minuten jemand abgeschlachtet wird. Wir entspannen uns.
So, jetzt muss ich aber schnell zurück nach Seattle. Christina informiert grad die Eltern über den Verlauf der Transplantation. Das darf ich auf keinen Fall verpassen.
Quellen:
https://wistia.com/learn/marketing/science-behind-why-we-binge-watch
https://www.brain-effect.com/magazin/dopamin-glueckshormon
https://www.zeitjung.de/comfort-binge-serien-filme-emotionen-psychologie/
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