Wer kennt es nicht? Ich war neulich in einem kleinen Buchladen hier in Berlin in der Akazienstraße (große Empfehlung), um ein Geschenk zu kaufen und verließ den Laden deutlich ärmer und deutlich schwerer bepackt als geplant. Eigentlich wollte ich doch nur ein Buch für meinen Neffen zur Schuleinführung aussuchen. Normalerweise kaufe ich doch eh meine Bücher bei Medimops, weil das besser für die Umwelt ist und mir Mängelexemplare gar nichts ausmachen. Aber bei einem Erstleser wollte ich mögliche Rechtschreibfehler vermeiden, also wird das neu gekauft. Und wo ich nun schon einmal da bin, kann ich doch „nur mal schauen“.
Wie sich das für ein Verpackungsopfer wie mich gehört, griff ich nach „Ich bin Circe“, weil der Einband so geil aussieht (und sind wir mal ehrlich, die meisten Bücher haben keine schönen Einbände. Sobald da irgendwelche Menschen drauf sind, siehts albern aus.). Eigentlich hab ich auch gar keinen neuen Lesestoff gebraucht. Meine TBR hat Papiertränen geweint, als ich mit meinem neuen Schatz heim kam.
Und ich wurde nicht enttäuscht.
Circe. Könnte sein, dass es da bei dir jetzt klingelt oder eben auch nicht. Die gute Circe ist nämlich ist eine Hexe aus der griechischen Mythologie und vor allem dafür bekannt, eklige Männer in Schweine zu verwandeln. Ich liebe alles daran. Sie ist vor allem durch die Odyssee und die Telegonie bekannt.
Das Buch gibt Circes Geschichte aus einer neuen Sichtweise wieder, nämlich ihrer eigenen. Sie ist keine Nebenfigur mehr, sondern erzählt die emotionale Entwicklung einer Feministin in einer von wankelmütigen Göttern regierten Welt.
Die Geschichte beginnt als Circe noch bei den Göttern lebt und im Grunde ein klassisches Mobbingopfer ist. Ihr Vater ist der Sonnengott Helios und ihre Mutter die Nymphe Perse, welche der reinste Albtraum ist. Circes Stimme ist zu menschlich und als Göttin ist sie nicht schön genug, weswegen ihr niemand weiter Beachtung schenkt. Sie ist furchtbar einsam und wahnsinnig naiv. Mich hat das am Anfang total aufgeregt, aber im Laufe des Buches entwickelt sie sich aber weiter und wird auf einmal zum Vorbild.
Immer wieder klammert sie sich an Männer, die ihr am Ende doch nichts geben. Aus Eifersucht verwandelt sie die Nymphe Skylla (Skylla und Charybdis schon mal gehört?) in ein Seeungeheuer (was man eben so tut), was schließlich zu ihrer Verbannung auf die Insel Aiaia führt. Dort entwickelt sie ihre Kräfte immer weiter bis sie zu einer mächtigen Hexe heranreift, die eben Männer in Schweine verwandeln kann.
Und da setzt die Geschichte dann erst so richtig ein. Sie trifft auf Medea, Odysseus, Penelope, Daidolos, den Minotauros… Dabei beweist sie Klugheit, Können und Stärke. Sie zeigt aber auch Liebe und Großherzigkeit. Man kann sich von ihr einfach nur mitreißen lassen. Das Buch ist nicht kurz, dennoch konnte ich es einfach nicht beiseite legen. Was mir besonders gut gefallen hat, war, dass Circe bei den Göttern wegen ihres „schwierigen Charakters“ und ihres Temperaments so unbeliebt war, sie sich aber im Laufe der Geschichte stark beweisen konnte und Unabhängigkeit und einen eigenen Willen entwickelt hat. Sie war stark. Wie oft wurde ich schon als „schwierig“ bezeichnet, nur weil ich sehr leidenschaftlich und laut sein kann? Eine starke Frau macht vielen Männern eben Angst.
Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich ein bisschen für griechische Mythologie, Feminismus, Geschichte, Liebe und Seefahrer interessiert. Außerdem würde ich mal behaupten, dass es auch einfach ein gutes Buch ist, wenn man kein spezielles Interesse an einem dieser Themen hat. Für mich ist es jetzt mein absolutes Lieblingsbuch.
PS: Ganz oben auf meiner Leseliste steht jetzt von der gleichen Autorin „Das Lied des Achill“. Denn meine Freundin Kristl hat mich drauf aufmerksam gemacht, dass „Ich bin Circe“ das zweite Buch von Madeline Miller ist.
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