Hört sich jetzt eher wie eine Whatsapp-Statusmeldung als ein vernünftiger Beitragstitel an. Aber es ist eben tatsächlich so: Egal, was ich dieses Jahr tue, ich will und will einfach nicht richtig in Stimmung kommen.
Dabei gebe ich mir sogar ein bisschen Mühe: Ich zünde Räucherkerzchen an, höre festliche Musik, schaue Weihnachtsfilme, esse Plätzchen, verpacke Geschenke, schlendere über das, was man in Pandemie-Zeiten einen Weihnachtsmarkt nennt – nichts. Gähnende Leere. Trotz, dass ich Weihnachten eigentlich vergöttere.
Und das, obwohl ich mir dieses Jahr gar keinen Druck machen wollte. Ich versuche es gar nicht auf Krampf, sondern unternehme einfach genau das, was sich im Moment richtig anfühlt. Doch kein Bratapfelschaumbad dieser Welt holt momentan meinen Funken zurück.
Ein bisschen Nostalgie.
Mein Funken war eigentlich mal ein knisterndes Feuer. Ich konnte als Kind schon im Oktober die Festtage nicht erwarten. Heiligabend war für mich das Highlight des ganzen Jahres.
Wenn es an der Zeit für die Bescherung war, schob mich mein Vater aus dem Wohnzimmer, verschloss die Tür und löschte alle grellen Lichter. Ich musste mir währenddessen die Zeit bei meiner Schwester vertreiben. In deren Zimmer hatte ich einen Ehrenplatz in der hintersten Ecke, einem toten Winkel, in dem ich ihren Schreibtisch nicht einsehen konnte. Denn sie bastelte an Weihnachtsbriefen, die niemand zu früh zu Gesicht bekommen durfte.
Heimlichkeit war das oberste Gebot. Über alles legte sich ein Schleier aus zauberhaften Geheimnissen, die auf keinen Fall enthüllt werden durften.
Irgendwann warf mein Vater dann eine CD ein (ja, so alt bin ich), auf der sich in den ersten Minuten sanftes Glockengeläut mit den leisen Stimmen eines Chores mischte. Danach klopfte er bei meiner Schwester an die Tür – das war das Zeichen.
Ich war noch klein, also stürmte ich ziemlich ungehalten ins Wohnzimmer. Hier duftete es nach Sandelholz und Tannennadeln und man hatte sofort den Geschmack des Gebäcks meiner Großmutter auf der Zunge. Kerzen brannten, ziemlich viele Kerzen, die auf dem Baum zur Sicherheit nur elektrisch. In den Kugeln an den dunkelgrünen Zweigen brach sich das Licht, warf tanzende Schatten auf die Geschenke.
Und wenn ich wusste, welcher der Stapel mir gehörte, gab’s kein Halten mehr. Ich war ziemlich barbarisch, riss und zerrte an Papier und Schleifen, genoss das Prickeln zwischen den Fingern – dieses Kribbeln, kurz bevor man ein Geschenk auspackt, diese Sekunde bevor sich der Karton darunter enthüllt. Ich liebte dieses Gefühl. Und solange das Papier bunt genug war und laut genug raschelte, war es mir beinahe egal, was in ihm versteckt lag.
Und heute?
Im Grunde bin ich ein sehr kontrollierter Mensch geworden. Ich mag Ordnung, vor allem in meinem Kopf. Deshalb stehe ich auf Routinen und darauf, Dinge immer wieder auf die gleiche Art und Weise zu tun. Ich reiße Geschenke also nicht mehr auf, sondern löse jeden Klebestreifen einzeln ab, versuche den Moment so lange auszudehnen wie möglich.
Ich bin auch mit 25 noch todtraurig, wenn ich ein Geschenk einfach ohne Papier in die Hand gedrückt bekomme, nicht einmal ein kleines Schleifchen daran klebt. Es nimmt mir den Zauber weg, den ich so sehr zu erhalten versuche. Es raubt mir den Moment des Auspackens, den ich nicht in viele kleine Momente verlängern kann. Und es verletzt die Routine, die ich von Weihnachten „zu Hause“ schon immer gewöhnt bin.
Mein ganzer Blick auf Weihnachten ist also puderrosa und bis aufs Letzte verklärt. Als hätte ich einen Monat lang ein zuckrig glasiertes Sichtfeld, das Heiligabend nicht selten in Tränen enden ließ – weil ich mir den Tag anders vorgestellt hab als er letztlich war.
Doch dieses Jahr weiß ich nicht einmal, warum ich die letzten Jahre so ein Tamtam um alles gemacht habe. Ich habe kein Verständnis für mich selbst. Und ich merke, dass irgendetwas fehlt, mir irgendetwas verlorengegangen ist.
Ich hoffe, ich finde es wieder.
Was allerdings ganz positiv ist: Mich stresst nichts so richtig. Weil die typischen Weihnachtsaktivitäten für mich momentan eher Beiwerk sind, ist auch der Druck nicht mehr da. Wenn nach einer Woche alle meine Plätzchen aufgegessen sind, obwohl wir erst den dritten Advent haben, ist das kein Grund zur Panik. Wenn das High-End-Glitzer-Holo-Premium-Geschenkpapier ausverkauft ist, macht das nichts. Wenn ich eine der 15 Wiederholungen von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ verpasse, muss ich mich nicht in Schande vergraben.
Und das ist alles echt angenehm.
Mein Fazit kurz vor Heiligabend ist: Ich hätte gern dieses aufgereckte Kribbeln im Bauch zurück. Das bisschen Nostalgie, die Sentimentalität. Der Stress kann dabei gern wegbleiben. Und vielleicht komme ich ja einfach auch erst kurz vor knapp in Stimmung. Falls nicht – ist das dieses Jahr wohl auch mal okay.
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