Triggerwarnung: Ich führe es zwar nicht sehr explizit aus, werde im folgenden Beitrag aber über Körperbilder, Selbstwahrnehmung und teilweise auch gestörtes Essverhalten sprechen. Wenn du dich mit einem der Themen unwohl fühlst, dann klick lieber weg – der nächste Beitrag ist dann bestimmt wieder was für dich.
Prolog: Was man nicht tun sollte.
Meine erste Diät habe ich mit 12 gemacht. Das ist ein Weilchen her, aber immer noch recht präsent in meinem Kopf. Mir fiel auf, dass meine Klassenkameradinnen allesamt zierlicher waren als ich. Also wollte ich das auch sein. Und habe mir zum Beispiel angewöhnt, kein Frühstück mit in die Schule zu nehmen. Diese Angewohnheit blieb, bis ich mit 18 mein Abi machte. Danach folgte eine lange Reihe ständiger Zu- und Abnahmen, eine relativ unangenehme Essstörung und schließlich die Erkenntnis, dass ich keine Ahnung hatte, wie man eigentlich freundlich mit sich selbst und seinem Körper umgeht.
Abnehmen, Instagram und Äpfel-mit-Birnen-Vergleiche.
In Deutschland wollen ca. 70% aller Frauen abnehmen (Appinio, 2018). Viel mehr Zahlen konnte ich nach erster Recherche nicht finden, da mir beim Googlen sofort eine 7-tägige-Saftkur vorgeschlagen wurde. Ach, und ich soll meine Mahlzeiten auf meinen Zyklus anpassen. Und Schokolade macht vielleicht doch schlank. (Oder dick?)
Besonders auf Social-Media-Kanälen wie Instagram wurde für eine recht lange Zeit ausschließlich optisch ansprechender Content gepostet. Mit, na ja, optisch ansprechenden Menschen. Das Problem an den Fotos: Als Nutzer kann ich oft nicht erkennen, ob mit Filtern, Photoshop oder gar operativen Eingriffen nachgeholfen wurde (you do you. Ich bin in dieser Hinsicht einfach nur für mehr Offenheit und Transparenz). Alles, was ich sehe, sind Menschen mit Körpern nahe der Perfektion des aktuellen Schönheitsideals. Ein gefundenes Fressen für ein wackliges Selbstbewusstsein wie meins damals – und das der 70% Frauen, die etwas an ihrem Körper verändern möchten. Und dann geht das Vergleichen los.
Gut: Das ist ganz normal. Die Theorie des sozialen Vergleichs kommt aus der Medienpsychologie und wurde schon vor über 60 Jahren publiziert (Festinger, 1954). Sie besagt, dass Menschen stets das Bedürfnis haben, ihre Fähigkeiten und Meinungen mit anderen zu vergleichen. Über die Jahre wurde die Theorie ständig weiterentwickelt und Grundlage zahlreicher Social-Media-Studien. Vergleiche sind also normal und wichtig für die eigene Wahrnehmung.
Schlecht: Die Vergleichsdimensionen müssen stimmen. Ich würde nicht auf die Idee kommen, mein Englisch mit dem einer Grundschülerin zu vergleichen. Gleichzeitig schaue ich mir Bilder von Personen mit völlig anderem Körperbau und geschönten Posen an und denke „Huch, so sehe ich nicht aus“ – kann ich ja auch gar nicht. Außer, ich stelle mich 24/7 mit eingezogenem Bauch vor ein Ringlicht.
Für viele Menschen folgt durch genau diesen Negativ-Vergleich eine regelrechte Abwärtsspirale, die langfristige Folgen für die Psyche haben kann. Denn längst nicht jeder wendet sich kopfschüttelnd von perfekt inszenierten Fotos ab und denkt nicht weiter über sie nach.
In einer Studie der Royal Society for Public Health (2017) kamen Forscher zu dem Schluss, dass vor allem Instagram bei Probanden zwischen 14 und 24 zu einem verminderten Selbstbild und einer negativen Körperwahrnehmung führen kann.
Des Rätsels Lösung: Body Positivity. Oder doch nicht?
Die Lösung? Body Positivity.
Okay, Lösung wäre ein bisschen hochgegriffen. Aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Oder?
Zuerst die trockenen Fakten: Body Positivity ist eine Bewegung, die sich für die Abschaffung unrealistischer und diskriminierender Schönheitsideale einsetzt. Entwickelt hat sie sich aus der amerikanischen Fat Acceptance Bewegung und geht eigentlich weit über bloße Körperbilder hinaus. Sie ist gesellschaftskritisch, feministisch und lehnt Objektifizierung ab (Schlüter in Jetzt, 2020).
Und bei allem Guten, das Body Positivity in den sozialen Netzwerken mit sich bringt und mit sich bringen könnte, hagelt es von vielen Seiten auch Kritik. Einerseits gegenüber der Bewegung selbst: Sollten stark über- oder untergewichtige Körper akzeptiert werden, obwohl ihre extreme Ausprägung in die eine oder andere Richtung gesundheitsgefährdend sein kann?
Andererseits von Anhängern der Bewegung, die sich durch die aktuelle Trend-Entwicklung nicht mehr ernst genommen fühlen: Dürfen „Normalos“ mit weißer Haut und schmaler Taille ihre Dehnungsstreifen in die Kamera halten und den Hashtag #bodypositivity überhaupt verwenden? Obwohl er doch eigentlich viel mehr für Anti-Diskriminierung steht?
Und muss ich mich persönlich wirklich dem Druck aussetzen, absolut alles an mir gut und positiv zu finden?
Muss ich nicht. Auch sonst keiner. Aber: Das Body Positivity Movement hat es geschafft, dass wir Körperbilder überhaupt erst in Frage gestellt haben. Und letztlich das Bewusstsein dafür sensibilisiert, dass ein Körper schlicht und ergreifend dazu da ist, alle lebenswichtigen Funktionen zu erfüllen. Er ist eine ziemliche Maschine mit einem ziemlich schweren Job. Das kann ich gut finden.
Epilog: Body Neutrality und Brückentrolle.
Für den Rest gibt es übrigens Body Neutrality. Also, wie der Name sagt, ein ganz unvoreingenommener Blick: Er ist eben da, unser Körper, und wir müssen zwangsweise nun einmal in ihm wohnen. Dafür muss man ihn nicht abgöttisch lieben, aber man kann ihn pflegen. Ein neutraler Hausputz, quasi. Nur eben jeden Tag.
Aus meinem persönlichen Empfinden heraus, mag ich die neutrale Herangehensweise einfach mehr.
Denn manchmal bin ich die Frau aus der Venus-Werbung, die mit babyglatter Haut lachend durch den Tag hüpft. Und manchmal bin ich der rülpsende Brückentroll, der dem Held einfach mit einer Hand den Hals umdreht – und sich mit der anderen den Bauch kratzt. Beides okay. Beides irgendwie realistisch. Beides macht mein Körper mit. Und nichts von dem setzt mich unter Druck, mich unfassbar gut oder unfassbar scheiße zu finden.
Fazit: Glaubt nicht alles, was ihr seht. Selbsthass ist Zeitverschwendung. Schokolade ist lecker.
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