Ich bin Deutsche und als Deutsche redet man nicht über Geld.
Nein, im Ernst, ich hab keine Ahnung, ob andere Kulturkreise da entspannter sind. Zumindest entsteht bei uns Kartoffeln immer das Gefühl, wir sind relativ geheimniskrämerisch, wenn es um Bares geht.
Das fängt bei Klauseln im Arbeitsvertrag an, die dir untersagen, mit deinen Kollegen über deine spezifischen Rahmenbedingungen zu sprechen. Und hört auf im eigenen Umfeld, in dem Lohnabrechnungen besser unter Verschluss bleiben als Gefangene in Alcatraz.
Als Erwachsene ist mir das jetzt auch ziemlich egal. Mich interessiert nicht, wie viel andere auf dem Konto haben, aber ich rede auch nicht um den heißen Brei, wenn ich selbst danach gefragt werde (was im Grunde nie passiert). Aber als Kind und später als Teenie hätte mir ein bisschen Transparenz und vor allem Lockerheit beim Thema Geld viel Leid erspart – darüber reden wir heute.
Nudelwochen.
Ich habe drei Stiefbrüder (etwa in meinem Alter) und eine ältere Schwester (die aber schon relativ früh ihre eigene Wohnung hatte). Das heißt, zu Hause waren immer viele Leute unterwegs, die alle viel gekostet haben. Und obwohl meine Eltern beide berufstätig waren/sind, ist manchmal schon der Wocheneinkauf ein Kampf gewesen.
Das hatte viele Gründe, die ineinander verkettet und verschlungen noch einmal mehr Gründe ergaben. Aber so deutlich will ich auf meine Familienverhältnisse gar nicht eingehen – ist dann doch ein bisschen zu privat.
Trotzdem kann ich euch sagen, dass Geld von Anfang an ein schwieriges Thema war. Ab und zu bis zu dem Punkt, an dem man nicht mehr wusste, wovon man Lebensmittel besorgen sollte. Und die guten alten Nudelwochen hätten mich ja nicht einmal gestört. Haarig wurde es für mich erst als ich allmählich ein Teenager wurde und ich mich im Vergleich mit meinen Freunden wie eine arme Kirchenmaus gefühlt habe.
Peer pressure.
Da hat dann der gute alte peer pressure (oder dt. Gruppenzwang) richtig gekickt. Nach den Sommerferien konnte ich nie erzählen, irgendwo im Urlaub gewesen zu sein – weil ich es schlichtweg nicht war. Während besonders meine Freundinnen den neuen heißen Scheiß getragen haben, musste ich bis zu meinem Geburtstag warten, um neue Kleidung zu bekommen. Die gab’s dann eben nur einmal pro Jahr und wurde nur ausgetauscht, wenn sie kaputt war oder wirklich gar nicht mehr gepasst hat. Taschengeld? You wish. Klassenfahrten? Der absolute Horror. Denn für solche schulischen Aktivitäten gibt es zwar staatliche Förderung – aber erst, wenn man vor allen anderen Schülern den Walk of Shame zu seinem Klassenlehrer gemacht hat, damit dieser die ganzen Formulare unterschreibt.
Ich kann mich erinnern, mich das eine Mal so sehr geschämt zu haben, dass ich meinen Eltern glaubhaft verkauft hab, der Lehrer wäre unfreundlich und ich will ihm die Papiere so nicht geben. Na ja, der Lehrer war ein bisschen ruppig, aber eigentlich eine Seele von Mensch. Tut mir heute noch leid.
Ihr dürft jetzt nicht schlecht von meiner Familie denken. Denn was ich hier beschreibe, hört sich schlimm an (und ist es sicher auch), aber meine Eltern haben alles getan, damit es uns gut geht. Das konnte ich früher oft nicht nachvollziehen, heute verstehe ich es jedoch besser.
Was die ganze Situation eigentlich erst so schrecklich gemacht hat, war mein Teenagerhirn. Denn ich habe zwanghaft versucht, die Geldproblematik vor meinen Freunden zu verstecken. Und das ging nur, indem ich mein Umfeld ständig belog.
Studentenleben.
Mit Sicherheit hätte ich schon als Schülerin mein eigenes Geld verdienen können. Die meisten anderen waren Zeitung austragen oder haben Nachhilfe gegeben. Dafür war mir neben der Schule meine freie Zeit aber einfach zu wichtig. Eine Sache, die ich heute irgendwie noch gut nachempfinden kann. Nichts ist mir so heilig wie mein Privatleben und meine Freizeit.
Das ganze Thema hat sich mit dem Studienbeginn dann aufgelockert. Denn die wenigsten Studierenden haben Geld und es war „sozial anerkannter“ ständig knapp bei Tasche zu sein. Ich bin mir selbst also nicht mehr negativ aufgefallen – und anderen auch nicht.
Der ständige Kampf mit dem BaföG-Amt wird mir trotzdem immer im Gedächtnis bleiben. Mein Nebenjob auch. Und auch die Tatsache, dass ich wahrscheinlich einen anderen akademischen Weg gewählt hätte, wären die Mittel dazu da gewesen. Aber ich bin zufrieden mit den Entscheidungen, die ich getroffen habe. Rückblickend konnte ich mich immer auf mich verlassen.
Erwachsensein.
Ich denke oft an früher. Häufig hatte ich nämlich einfach nur großes Glück im Unglück und dafür bin ich echt dankbar. Mittlerweile habe ich mir einen Lebensstandard erarbeitet, auf den ich sehr stolz bin und der mich ehrgeizig auf mehr macht. Ich kann mir jeden Monat gut was zur Seite legen und sogar für später vorsorgen. Krasser Erwachsenenscheiß eben.
Am besten ist aber: Ich schäme mich nicht mehr. Und ihr solltet das auch nicht tun. Denn diesen Beitrag habe ich nicht geschrieben, um Mitleid zu erhaschen oder mich selbst zu profilieren. Es geht darum, dass es an jedem Punkt eures Lebens irgendwie weitergeht und dass ihr selbst die Kraft dazu habt, etwas zu verändern. Eure Herkunft muss nicht euren ganzen Lebensweg vorherzeichnen. Natürlich legt sie eure Ausgangssituation fest und im Vergleich mit anderen Menschen ist mein Meckern sicherlich immer noch auf hohem Niveau. Doch Dinge in eurem Leben bewegen – das könnt ihr.
Ach, und ich bin dafür, dass wir bitte offener über Geld sprechen. Hätte mir mit 15 jemand gesagt, dass ich kein Alien bin, weil ich seit drei Jahren die gleichen Schuhe trage, hätte das meinem Selbstwert ziemlich geholfen. Leuten, die euch eurer Selbst Willen mögen, ist sowas nämlich absolut egal.
Over and out.
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