Ich war wieder einmal in Sachsen und Thüringen unterwegs, um meine Familie zu sehen. Und wie das auf Familienfeiern immer so ist – keine Ahnung, warum – kamen viele unangenehme Fragen auf. Die meisten beantwortet man einfach mit einem Schulterzucken oder einem Kopfnicken oder einem latent genervten „Ja“, aber diese eine Frage…diese eine…die Frage aller Fragen gleich nach dem Heiraten…die wurde mir verdächtig oft gestellt.
Abwehrhaltung.
Nachdem mich Nichte Nummer 1 zum 12. Mal aufs Trampolin gezwungen hat und ich mich um Atem ringend auf eine Bierbank fallen ließ, begann das Kind fröhlich quietschend mit einem Stock zu spielen. Ich beobachtete den Anblick mit jemandem und wurde prompt gelöchert: „UnD wAnN iST eS BeI dIR sO weIT?“
GAR NICHT, BRIGITTE*!
wollte ich eigentlich schreien.
Stattdessen machte ich nur ein Geräusch wie „meh“ und schüttelte mich und fühlte mich klein und unwichtig. Als wären meine Wünsche und Pläne völlig irrelevant, weil sie sich nicht ums Kinderkriegen drehten. Als wäre eine Schwangerschaft für eine Frau das oberste Ziel und als wäre es jetzt endlich an der Zeit, weil man das eben so macht als Paar.
Urgh.
Wie wär’s mit Nein?
Meine Lungen haben sich nach einer Weile nicht mehr angefühlt wie zerdrückte Rosinen und ich bin Nichte 1 zum 13. Mal hinterher gerannt. Ich hab ihr die Schuhe angezogen, wir haben Ball gespielt, ich musste ihre mit Kinderrotze vermischte Limo trinken und Schokoladengeld zählen. Aus irgendeiner Ecke kam danach schon wieder was mit „LaNgE DaUERtS NiChT mEHr“ und ich rief nur „Leckt mich am Arsch.“
Und statt
diese Reaktion
einfach hinzunehmen,
einigte man sich einstimmig auf:
„HaHa, GeNaU sO WaR eS BeI deINeR ScHWEsTer AUcH“
URGH.
Wäre mein Zuhause nicht 500km weit entfernt gewesen, wäre ich schnurstracks heim gefahren. Ich spürte, wie in meinem Magen ein medizinballgroßes Gewirr aus Trotz, Abneigung und Zorn entstand. Und das habe ich nicht mal mit Nichte 1 auf dem Trampolin weghüpfen können.
Was will ICH?
Versteht mich nicht falsch: Ich finde Kinder okay. Ab einem gewissen Alter kann man sich sogar ganz gut mit ihnen unterhalten und sie sind keine blubbernden Kartoffelsäcke mehr. Ich freu mich drauf, wenn Nichte 1 und 2 alt genug sind, um richtig was zu unternehmen – und wenn sie dann auch checken, dass sie bei mir Sachen dürfen, die bei ihren Eltern gar nicht gehen, hehe.
In meinen vorherigen Zukunftsbetrachtungen habe ich mich auch nie als kinderlos gesehen. Irgendsoein Balg mit roten Haaren hing mir immer am Arm. Es war für mich nie eine Alternative, der Fortpflanzung einfach zu entsagen. Allerdings war ich da auch noch wesentlich jünger. Mit 16 hatte ich andere Vorstellungen als mit Anfang 20 und jetzt, wo ich auf die 30 zusteuere…Was will ich jetzt?
Zukunftsvisionen.
Vor allem will ich meine Ruhe haben. Ich will nicht gefragt werden, wann irgendwas so weit ist und ich will auch nicht implizit gesagt bekommen, dass ich meine Meinung schon noch ändere (siehe: Bei deiner Schwester wars auch so!!!). Das untergräbt nicht nur mich als Person, sondern verbietet mir auch, vielleicht ausnahmsweise einen eigenen Standpunkt zu einem Thema zu vertreten. Solche Aussagen führen – Überraschung – nicht dazu, dass ich mir denke „Oh ja, ihr habt Recht, ich überlegs mir.“ Sie haben lediglich zur Folge, dass ich mich nicht ernst genommen fühle und aus Prinzip genau das Gegenteil von dem mache, was ihr im Grunde möchtet.
Selbstverständlich ist das unreif und kindisch. Ich verstehe sogar die Frage bis zu einem gewissen Grad. Sie liegt vermutlich nahe. Aber wieso tut sie das? Weil ich Mitte 20 bin, bald einen Ring am Finger habe und meine Schwester immerhin auch zwei Kinder hat? Weil das jetzt der nächste logische Schritt wäre, so als Frau?
Weil man als Frau eben Kinder kriegt?
Weil das die Sache ist, für die ich meine Vagina halt benutzen soll?
Weil Schwangere immer so hübsch von innen heraus strahlen?
Ich weiß es nicht.
Lebensentwürfe.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich mich durch neunmonatigen parasitären Befall in den ersten drei Monaten konstant erbreche, mein Körper sich in alle Himmelsrichtungen ausdehnt und ich richtig Bock auf ein Leberwurstbrot mit Marmelade bekomme. Wenn dann mein Bauch (und andere Regionen, über die ich nicht nachdenken will) komplett zerfetzt ist, halte ich einen winzigen Menschen in den Armen, für den ich FÜR IMMER Verantwortung trage.
Und momentan möchte ich nur für mich selbst Verantwortung tragen. Ich will egoistisch sein und sinnlosen materiellen Kram anhäufen und Dinge tun, die ich lange Zeit nicht tun konnte. Ich will Sachen für MICH haben. Und es kann sehr gut sein, dass ich diese Phase in ein paar Jahren hinter mir lasse und Muße für ein Kind habe. Es kann aber auch sein, dass ich in ein paar Jahren meinen Nichten teure Geschenke mache und mir das vollkommen ausreicht.
Die Entscheidung liegt ganz allein bei mir.
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