Mit 15 saß ich einmal in einem Raum voller Erwachsener, von welchen alle Vorbilder und Bezugspersonen von mir waren. Ich wollte genau wie sein und konnte es nicht abwarten selbst erwachsen zu sein und von ihnen ernst genommen zu werden. Und dann kam es zu folgendem Gespräch:
A: „Man sieht meine unrasierten Beinhaare durch meine Feinstrumpfhose durch. Ich hatte vorhin keine Zeit zum Rasieren.“
B: „Fällt gar nicht auf. Wenn man nicht drüber streicht, wird das keiner merken.“
A: „Keine Sorge. Sind auch nur die Beine. Der Rest ist glatt.
B: „Ja, die 80er sind vorbei. Das will keiner mehr sehen.“
A: „Besonders nicht zwischen den Beinen. Ich ekel mich da vor mir selber. Das muss ab.“
B: „Lieber nicht eskalieren lassen, sonst trägt man noch eine Unterhose aus Haaren.“
Beide lachen.
A war eine Frau und B ein Mann. Logisch. Warum sollte man auch über die Körperbehaarung von Männern reden? Immerhin macht sie das doch männlich. (Achtung, das war sarkastisch.)
Dieses Gespräch ist bei mir hängengeblieben. Ich habe damals nichts gesagt und einfach leblos mit gelächelt. Was nämlich mein großes Geheimnis war, war dass ich Probleme mit dem Rasieren hatte. Beine ging noch, aber alles andere hat zu permanenten Schmerzen und Jucken geführt. Ich habe mich unendlich geschämt. Ich habe mich vor mir geekelt. Denn Frauen sollen doch glatt rasiert sein, lieber noch gewaxt. Zumindest wurde mir das so eingetrichtert. Ich hab alles versucht, um dieses „Problem“ in den Griff zu bekommen. Selbstbewusstsein hatte ich damals keins. Und alles wurde nur noch schlimmer als die lieben Jungs plötzlich mit ins Spiel kamen. Die fanden mich dann auf einmal eklig. Ich habe meinen Körper verachtet und Techniken entwickelt mich zu verstecken.
So ging das Jahre lang. Genauer gesagt nahm bei mir die Scham erst mit 22 langsam ein Ende als ich jemanden kennengelernt habe, der mir andere Ansichten gezeigt hat. Allein, dass es so lange gedauert hat, bis ich jemanden getroffen habe, der meinen Wert nicht über Haare definiert hat, zeigt wie falsch unsere Gesellschaft denkt. Seitdem hat sich alles geändert. Ich liebe meinen Körper und akzeptiere keine Urteile über ihn. Ich lasse mich nicht mehr verunsichern von Menschen, die es für richtig halten, sich selbst Schaden zuzufügen nur um einem Schönheitsideal standzuhalten. (Und ganz ehrlich. Ist es nicht auch ein bisschen merkwürdig, dass es als sexy gilt, sich auszusehen zu lassen wie ein kleines Mädchen? Also klar, wenn du dich glatt haben willst, tu es. Man kann machen was man will. Aber ich bin auch nicht die erste, die hinterfragt inwieweit Pädophilie und Schönheitsideale zusammenhängen.)
Was mich auch so wahnsinnig stört, ist, dass es bei Männern wieder ganz anders ist. Die werden belächelt, wenn sie nicht haarig genug sind. Zumindest an bestimmten Stellen. Wir definieren Geschlechter über Haare und wer mittlerweile in 2022 angekommen ist, weiß, dass auch das einfach keinen Sinn ergibt.
Ich bin jetzt 25 und habe meinen Körper zuerst akzeptieren und dann lieben gelernt. Wer mich so nicht mag, wie ich bin, hat mich nicht verdient. Wer mir zuerst sagt, wie ich auszusehen habe, bevor er mich überhaupt erst anfassen kann, liebt mich nicht und verdient mich auch nicht. Ich respektiere meinen Körper und seine Grenzen. Ich will gesund leben. In meinem Fall heißt das nicht mal, dass ich den Rasierer ganz weggelegt habe. Darum geht es auch gar nicht. Sondern darum, dass ich entscheide, was ich tun will und es für mich mache und nicht um dem männlichen Geschlecht und toxischen Personen zu gefallen.
Und wem es jetzt so geht wie mir: Man findet sie. Es gibt die Menschen, die einen nicht verurteilen. Es gibt Menschen, die einen wirklich mit Haut und Haar lieben und uns nicht ändern wollen.
Einen Schritt, der mir erst gar nicht so wichtig vorkam, war, mich mit meinen Freundinnen zu hinterfragen. Mir ist aufgefallen, dass wir uns in einer Sache alle gleich verhalten: Wir entschuldigen uns zuerst. Hab ich meine Beine nicht rasiert, sorge ich dafür, das zuerst zu thematisieren. Denn, wenn ich es zuerst sage, muss ich mich nicht schämen, wenn es jemand anderes anspricht. Und das machen alle. Woran liegt das? Weil wir uns ungepflegt fühlen, als würden wir uns nicht richtig waschen und weil wir diesem Schönheitsideal doch noch entsprechen wollen. Dabei sind alle der Meinung, dass man machen kann was man will. Geht es aber um die eigenen Unsicherheiten, da sind Prinzipien schnell vergessen. Seitdem versuche ich das gar nicht mehr zum Thema zu machen, wenn wir es nicht allgemein halten. Der Ist-Stand meiner Beinhaare muss nicht diskutiert werden. Das kann natürlich auch jeder handhaben wie er will, aber für mich funktioniert das besser.
Ehrlich gesagt, könnte ich jetzt noch ewig über dieses Thema weiterschreiben. Nichts hat mich je so geprägt wie das und es ist verdammt schwer sowas loszulassen. Das Allerwichtigste ist aber, dass ihr Folgendes aus diesem Beitrag mitnehmt:
Ihr seid genauso richtig wie ihr seid und eure Körper sind nicht eklig.
Verurteilt andere Menschen nicht. Eure Aktionen und Worte haben Konsequenzen.
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