Diesen Text habe ich auf meinem Laptop gefunden und dachte, ich teile ihn heute mal hier. Ich weiß nicht mehr, wo ich damit hinwollte, aber Schreiben ist ein stetiger Lernprozess. Ich will oftmals Texte nicht teilen, weil ich sie selbst nicht gut finde. Aber das hört jetzt auf. Auch die „Probiertexte“, die man nie zu Ende schreibt, gehören dazu.
Ich rempele beim Aussteigen aus der U-Bahn eine Rentnerin an. Selbstverständlich unabsichtlich, aber sie sieht mich an, als wollte ich sie vor die Bahn werfen. Ich entschuldige mich, habe ein schlechtes Gewissen wegen des Anrempelns und bin gleichzeitig wütend, weil ich mich ungerecht behandelt fühle. Dieses Emotionen-Wirrwarr passt hervorragend zu diesem viel zu heißen Sommertag, an welchem ich etwas Unerträgliches vorhabe. Ich muss zum Bürgeramt.
Dort angekommen setze ich mich in das überfüllte Wartezimmer. Fast jeder hier sieht aus wie ich mich fühle. Unzufrieden. Ich schaue auf meinen Zettel, auf welchem meine Nummer steht. Ich bin Nummer 0435.
Die Bildschirme neben der Tür verraten uns gerade, dass Nummer 13 nun in Raum 4 gehen dürfe und dass Schlaghosen jetzt im Kommen sind. Würg. Ich weiß nicht, was ich schlimmer finden soll. Ich kann nicht ausmachen, wann ich dran sein werde, weil die Nummernverteilung kein sich mir offenbarendes System hat. Das bedeutet, ich könnte in 5 Minuten dran sein oder in 5000. Aber Schlaghosen sind schon sehr hässlich.
Gerade als ich mir das ganze Wartezimmer in Schlaghosen vorstelle, kommt ein junges Paar herein und setzt sich auf die mir gegenüberstehenden Stühle. Ich nehme mal an, dass sie zusammen sind, weil jeder mit jemanden zusammen ist. Nur ich nicht. Aber das ist ein anderes Thema.
Sie trägt ein grünes Sommerkleid aus Spitze und weiße Birkenstocks. Warum sie dieses eigentlich ganz hübsche Kleid mit solchen Schuhen versaut, weiß ich nicht. Ihr mutmaßlicher Freund ist offenbar dem all-black-everything-look verfallen. Ich kann wirklich nichts Andersfarbiges an ihm ausmachen. Sie unterhalten sich auf Englisch, aber ich kann raushören, dass sie definitiv Deutsche ist. Er hat aber auch irgendeinen komischen Akzent. Offenbar missfällt es ihnen, dass hier niemand richtig Englisch spricht oder Englisch sprechen will und dass es alle Formulare nur auf Deutsch rausgegeben werden. Da kann ich ihnen nur recht geben. Das ist schon blöd. In so einer großen Stadt wie dieser kommen doch sicherlich ständig Menschen her, die andere Muttersprachen haben. Da müsste das Amt doch eigentlich Formulare in ganz vielen Sprachen haben. Nummer 78 geht gerade in Raum 12. Andererseits ist es auch Quatsch, dass die beiden sich so sehr beschweren, wo sie doch für ihn dolmetschen kann. Dolmetscher hat aber auch nicht jeder mal eben zur Hand. Naja, wahrscheinlich ist das nicht ihr erster Besuch hier. Meiner ist es ja auch nicht und meine Erfahrungen hier sind auch eher durchwachsen. Es kommt auch darauf an, an wen man hier gerät und wann man herkommt. Und anscheinend auch darauf, zu welchem Amt man geht. In dem Stadtviertel, in dem meine Schwester wohnt, kann man in keines der vielen unterschiedlichen Ämter gehen. Dort sind die Behörden verhext. Sagt meine Schwester zumindest.
Nummer 0987 geht in Raum 1. In welchen Raum ich wohl dann muss? Und wer dann dort wohl sitzt? Man hört ja immer wieder von dem unfreundlichen Personal. Hatte ich selbst auch schon. Aber deren Job würde ich auch nur ungern machen. Sie haben es sicher auch nicht grade leicht. Ob ich in so einem Job immer freundlich bleiben könnte? Eher nicht. Damit wär ich dann auch einfach ungeeignet. Es gibt aber auch freundliche Menschen hier. Kommt eben drauf an, an wen man hier so gerät.
Nummer 879 soll in Raum 6 gehen, verirrt sich aber und landet in Raum 2.
Mir kommts langsam so vor als würde hier jeder dran kommen, nur ich nicht.
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