Trotz vieler negativer Seiten ist das Gute an TikTok ja, dass man – wenn man den Algorithmus ein bisschen austrickst – alle möglichen Inhalte auf die for you page gespült bekommt. Natürlich sind die immer noch an die eigenen Sehgewohnheiten angepasst, denn richtig kommt man aus seiner Blase ja nie raus. Aber keine andere Plattform hat mich bisher auf derart viele unterschiedliche Themen und Infos gestoßen. Und so hab ich neulich auch das erste Mal von „Divine Feminine“ gehört.
Vater, Sohn und heiliger Geist.
Es fing im Ethikunterricht an und ging zur Konfirmation weiter bis in mein Erwachsenenleben: Gott ist ein Typ. Ein Vater. Ein Mann. Der wiederum hat einen Sohn. Und dann war da noch der heilige Geist, der aus irgendeinem Grund auch immer einen latent maskulinen Anstrich hatte. Die katholische Kirche treibt das Spiel noch auf die Spitze. Ihr Oberhaupt? Männlich. Die Heiligen? Priester. Die weihrauchschwenkenden Messdiener? Jungs.
Und das alles, weil Eva sich für zwei Minuten mit einer Schlange unterhalten hat.
Aber Spaß beiseite: Es gab Zeiten, da hat es mich nicht gestört, dass man über eine Kirchentür auch einen großen Penis hängen könnte. Tatsächlich stört es mich auch jetzt nicht. Doch irgendwann habe ich angefangen, mir Gedanken über alternative Konzepte zu machen. Es gab außerdem durchaus Pfarrer, die sagten, dass Gott genauso gut eine Frau sein könnte. Oder etwas, das man mit unseren albernen beschränkten Kategorien sowieso überhaupt nicht fassen kann. Was interessiert ein allmächtiges Wesen auch ein Geschlecht?
Dualität.
Irgendwo in diesen Wirren ist „Divine Feminine“ verankert und recht schnell erklärt: Das Konzept besagt, dass es zum eher männlich geprägten Wertesystem, in dem wir mehr oder weniger aufgewachsen sind, einen weiblichen Gegenpart gibt. Jeder Mensch trägt demnach weibliche und männliche Energie in sich – völlig unabhängig vom eigenen Geschlecht. Sowieso werden Mann und Frau nicht als krasse Gegensätze betrachtet, sondern als zwei Dinge, die sich gegenseitig ergänzen und die Waage halten sollten.
Zu viel männliche Energie fördert Aggressionen und dominantes Verhalten. Zu viel weibliche Energie führt zu Stagnation und Kraftlosigkeit. Grundsätzlich werde ich hier stark an Yin und Yang erinnert: Das eine kann nicht ohne das andere existieren. Die eigene Mitte zu finden, steht zentral im Vordergrund.
Wieso „Feminine“?
Wenn wir doch jetzt aber bei einer spirituellen Lehre gelandet sind, die ein duales System in den Fokus rückt, warum heißt es dann gerade „Divine Feminine“?
Ich könnte nun mit der Patriachartskeule um die Ecke kommen, aber ich erzähle vielleicht lieber von einer Erfahrung, die ich selbst gemacht habe: Jahrelang habe ich misogynes Gedankengut mit mir herumgetragen und es nicht einmal gemerkt. Wie auch? Ich dachte, ich mag andere Frauen nicht besonders (Stellt sich heraus, ich mag einfach keine Menschen) und ich wurde ehrlicherweise auch nicht dazu erzogen, Frauen oder stereotyp weibliches Verhalten gut zu finden. Im Gegenteil: Es regnete jedes Mal eigenartig spitze Kommentare, wenn ich mal länger im Bad brauchte oder mir in irgendwelchen Onlineshops Kleidung ansah. Mir selbst auszutreiben, ich wäre „einer von den Jungs“ und fände Frauen schrecklich „zickig und anstrengend“, hat JAHRE gedauert.
Genauso habe ich eine Ewigkeit gebraucht, es nicht mehr schlimm zu finden, wenn ich mich einfach mal um mein Äußeres kümmere. Dann kämme ich mir eben zwei Stunden lang die Haare, mache mir die Nägel und creme meinen gesamten Körper mit Kakaobutter ein bis ich an mir selbst ausrutsche – na und? Es war regelrechte Arbeit, die Weiblichkeit meines Körpers zu akzeptieren und die gehässigen Kommentare, die ich mir mittlerweile SELBST gab, auszublenden. Ich ziehe heute noch extrem selten wirklich mal ein enges Kleid an. Weil Kleid. Und dann kann man auch noch sehen, dass meine Hüften breit sind? Uff.
Ich hatte lange Zeit überhaupt keine Verbindung zu meiner femininen Seite. Wollte ich auch nicht. Und genau deshalb heißt es Divine Feminine: Viele von uns wollen ihre weibliche Energie nicht haben, nicht akzeptieren, finden sie wertlos oder schwach oder unnötig. Es geht darum, den Draht zu seinem inneren Ich zu finden und damit auch den Draht, zu seiner inneren – Frau.
Und nein, da muss jetzt niemand High Heels anziehen und Lippenstift tragen. Kann man natürlich machen. Aber die eigene Persönlichkeit kennen zu lernen und wachsen zu lassen – das ist viel wichtiger.
Was es nicht sein soll.
Auch auf TikTok – wo auch sonst – gibt es zahlreiche Videos (von Frauen), die die Idee hinter „Divine Feminine“ für eine Sache missbrauchen, für die sie so überhaupt nicht gedacht ist: Männer anziehen.
Die eigens entdeckte Weiblichkeit wird dazu benutzt, um attraktiver auf Männer zu wirken, um sich endlich den Traumtypen zu schnappen oder es zu schaffen, dass er sich jetzt mal wirklich in einen verliebt.
Weiblichkeit und Attraktivität hängen nicht zwangsläufig zusammen und auch wenn das einen nicht unbedeutenden Part ausmacht, ist ein betont feminines Äußeres nicht der Dreh- und Angelpunkt der eigenen Persönlichkeit. Natürlich kann man anziehender auf das andere Geschlecht wirken, wenn man um die eigene Weiblichkeit weiß. Die kann sich allerdings in verschiedensten Formen ausdrücken und sollte nicht das Grundgerüst sein, auf das man sich beim Kennenlernen des eigenen Ichs stützt.
Was solche Videos außerdem außer Acht lassen: Nach der Dualität haben auch Männer eine feminine Seite in sich. Die wird hier aber komplett ignoriert. Genauso wie die maskuline Energie in Frauen.
Fazit: Eine Medaille hat zwei Seiten. Manchmal sind beide aus Gold. Manchmal ist es ein Trostpreis. Und: Balance ist wichtig. Namasté!
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