Im Mai 2020 hab ich meinen ersten richtigen Job angetreten. Nachdem mein Studium wegen der Pandemie plötzlich verkürzt wurde und nur noch online in Deutschland zu beenden war, wollte ich nicht ewig zuhause rumsitzen und habe einen Job in einer Steuerkanzlei gefunden – kann ich nicht empfehlen. Also, sich einen Job zu suchen schon, aber im Sekretariat einer kleinen Kanzlei eher nicht so. War zumindest meine Erfahrung.
Ein Großteil meiner Freunde haben da schon im Home Office gearbeitet und was habe ich sie beneidet! Grade wenn der Chef, nett gesagt, schwierig ist, wünscht man sich in seine eigenen vier Wände zurück. Im Mai 2021 hatte ich dann das große Glück eine neue Stelle zu finden – im Home Office.
Gleich zu Beginn wurde mir gesagt, dass ich die Zoom-Meetings irgendwann hassen werde. Sie wären mit der Zeit anstrengend, ermüdend und man wünsche sich die soziale Interaktion zurück. Das konnte ich mir ja beim besten Willen nicht vorstellen. Ist doch super, wenn man sich die langen Fahrtwege einspart, in der Jogginghose arbeiten kann und man nicht ständig für alle sichtbar ist.
Nach fast einem Jahr war ich letzte Woche das erste Mal im Office und habs überraschenderweise geliebt! Ganz klarer Fall von „Man will immer das haben, was man grade nicht haben kann.“. Ich bin jetzt schon traurig, dass das eher ein Einzelfall war und ich jetzt erstmal wieder im Home Office bleiben werde.
Und auf einmal sind die Zoom-Meetings anstrengender.
Ich denke, mir hat eine positive Erfahrung im Büro gefehlt. Meine Kollegen sind toll, mein Chef ist toll, das Office ist toll. Vorher waren nur manche Kollegen toll und der Rest furchtbar. Da konnte man sich das Home-Office nur wünschen. Jetzt quäle ich mich durch die online Meetings und könnte manchmal sogar heulen, weil ich mir nur wünsche, dass sie endlich vorbei sind. Das liegt auch gar nicht an den Menschen, mit denen ich sie habe. Aber was ist dann das Problem? Warum kribbelt es in meinem Bauch vorher immer schon und wenn ich fertig bin, kommt die große Erleichterung?
Zoom-Fatigue
Einmal das Internet befragt und schon hat dieses Gefühl einen Namen: Zoom-Fatigue (Dabei sind natürlich auch alle anderen Anbieter mit eingeschlossen.). Es gibt viele Gründe für dieses Phänomen. Auf Dauer ist das Interagieren online anstrengend für unser Gehirn. Soziale Signale und Körpersprache werden nicht mehr richtig übermittelt. Anstatt von den zustimmendem Gemurmel sitzen wir vor dem Bildschirm und nicken wie wild, um zu zeigen, dass wir zuhören. Außerdem beobachten wir uns selbst die ganze Zeit. Es fehlt der Small-Talk vor dem Termin, was besonders für introvertierte Menschen wichtig sein kann. Unser Kopf hat einfach viel zu viel zu verarbeiten. Wenn ich mir jetzt noch vorstelle, dass manche ein Kind zu bespaßen haben, während sie dem 59 Jahre alten Günther, der das doppelte Gehalt bekommt, nach 2 Jahren Pandemie immer noch erklären müssen, dass er auf mute ist -nein danke. Da wird man ja wahnsinnig.
Ich merke außerdem, dass sich der Bewegungsmangel bemerkbar macht. In einem Büro laufe ich mehr rum, ich habe Fahrtwege und komme raus. Hier sitze ich steif vor einem Bildschirm und bekomme tränende Augen. Mir fehlt auch der Abstand zur Arbeit in meiner Pause. Ganz oft erwische ich mich dabei, in meiner Pause zu arbeiten. Dann springe ich manchmal direkt ins nächste Meeting und muss sofort weiter funktionieren. Meine Kamera würde ich am liebsten ausschalten, aber das ist nicht erwünscht. Was kann man also tun?
Für mich wäre eine hybride Lösung das beste. Mal Home-Office, mal Office. Wenn man dann doch nicht ins Büro gehen kann, helfen kürzere Meetings mit Pausen und Möglichkeiten sich auch mal über andere Dinge zu unterhalten. Und bitte, lasst mich die Kamera ausschalten. Es hat nichts mit Desinteresse zu tun, es ist einfach besser für meine mentale Gesundheit.
Wem dieser Beitrag nicht genug war kann in meinen Quellen gerne weiterlesen. Was der Mensch alles braucht, um zu funktionieren, ist wahnsinnig interessant. Findet ihr nicht?:
https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wieso/artikel/beitrag/wieso-bekommen-wir-zoom-fatigue/
https://publikationen.dguv.de/forschung/iag/praxishilfe/4428/praxishilfe-zoom-fatigue
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