Erst einmal vorweg: Frohe Weihnachten an alle! Ich hoffe, ihr hattet bisher ein schönes Fest, entspannte Tage und eine tolle Zeit. Und falls ihr nicht feiert: genau das gleiche. 🙂
Roaming Twenties heißen wir nicht ohne Grund: Angefangen als Lockdown-Projekt wollen wir mit diesem Blog unsere Reise (daher roaming) durch die heutigen 20er Jahre dokumentieren – und euch dabei mitnehmen. Aber wir lieben auch die 20er des letzten Jahrhunderts und in Anbetracht der Festtage schauen wir uns heute doch mal an, wie die Menschen damals Weihnachten verbracht haben.
Glanz und Gloria.
Denkt man an die Goldenen Zwanziger fallen einem sofort flirrende Kleider, irrer Kopfschmuck, viel Schampus und ausladende Gatsby-Partys ein. Allerdings trügt der Schein, denn genau das war eigentlich nur den wirklich wohlhabenden Menschen vorbehalten. Für den Großteil der deutschen Bevölkerung waren die 20er alles, nur nicht golden. Die junge Weimarer Republik musste horrende Reparationszahlungen an ihre frühreren Kriegsgegner stemmen. 1923 war durch die Inflation Geld praktisch nichts mehr wert, Preise explodierten, ein Kilo Kartoffeln kostete im Dezember ’23 ganze 90 Milliarden Reichsmark (https://bnn.de/karlsruhe/die-goldenen-20er-jahre, 2020).
Zwar erholte sich die Wirtschaft in den folgenden Jahren, aber damit längst nicht die gesamte Gesellschaft. Das wiederum wirkte sich natürlich auch auf das Weihnachtsfest aus.
Knecht Ruprecht, Christkind und Co.
Klären wir doch erst mal die Frage, wer den Kindern eigentlich die Geschenke gebracht hat: Hier sollten wir unterscheiden, wo wir uns befinden. Denn gerade in protestantisch geprägten Teilen Deutschlands wurde die Heiligenverehrung mehr und mehr abgelehnt. Das heißt, dass die Kinder die meisten Geschenke nicht mehr am 06.12. vom heiligen Nikolaus bekommen haben, sondern am 24.12. vom Weihnachtsmann (der quasi aus dem Nikolaus entstanden ist). Tatsächlich hat schon Martin Luther als Alternative zum Nikolaus den heiligen Christ als Gabenbringer vorgeschlagen. Daraus entwickelte sich später das Christkind (https://www.mein-weihnachten-im-kult.de/gabentischedetailseite/um-1920-3).
Was aber unabhängig vom Evangelismus oder Katolizismus immer untrennbar zu Weihnachten gehörte: Der gute alte Kirchgang. Zum Beispiel zur Mitternachtsmette an Heiligabend oder zu den unzähligen anderen Gottesdiensten an den Feiertagen.
Früher war mehr Lametta.
Weihnachtsbäume kannten unsere Großeltern und Urgroßeltern natürlich auch. Allerdings waren das keine Nordmanntannen, sondern heimische Fichten (die übrigens böse nadeln und deshalb heute eher nicht mehr ins Wohnzimmer kommen). Bauern, die ein Stück Wald besaßen, schlugen die Bäume und verkauften sie auf ihrem Hof an die Nachbarn. Wer sich keinen Baum leisten konnte, dekorierte die Wohnung mit immergrünen Zweigen – die allerdings gerade in Arbeiterfamilien eher spärlich ausfielen.
Wer besser situiert war, bestückte den Weihnachtsbaum nicht nur mit echten Wachskerzen, die heutigen Feuerwehrleuten wahrscheinlich schon von Weitem die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Lametta stand auch hoch im Kurs: Damals noch aus Blei gefertigt. Als man irgendwann erkannte, dass Blei weder gut für die Gesundheit noch für die Umwelt ist, benutzte man für die Produktion Zinn. (Das kenne ich übrigens auch noch so und ich hasse das „neue“ Lametta aus Plastik aus den tiefsten Tiefen meines Herzens.)
Geschmückt wurde ansonsten mit Glaskugeln, die meist über mehrere Generationen in der Familie weitervererbt wurden. Wer die nicht besaß, dekorierte den Baum z.B. mit Strohsternen, Schmuck aus Papier, Holz oder gar Sauerteig.
Geschenke, Geschenke, Geschenke.
Bei wohlhabenden Familien gab es für die Kinder durchaus schon mal Puppenhäuser, Porzellanpuppen (gruselig), Kaufmannsläden, Eisenbahnen oder ein neues Buch. Oft wurde auch das schon vorhandene Spielzeug in der Vorweihnachtszeit von den Eltern versteckt und z.B. neu bemalt. Die Puppen bekamen neue Kleider oder das fehlende Auge des Teddybärs wurde durch ein neues ersetzt. Das konnten die Kinder dann Heiligabend bestaunen und sich über ihr „neues“ Spielzeug freuen.
In ärmeren Familien schenkte man sich oft nicht mehr als eine Apfelsine, die damals etwas ganz Besonderes war. Gestopfte Socken oder neue Schuhe sind da außerdem ein echtes Highlight gewesen.
Übrigens: Von so einer Apfelsine, ob arm oder reich, aß man im Schnitt drei Tage. Die Frucht galt als außergewöhnlich (https://www.heimatvereinwarendorf.de/erlebtegeschichte/weihnachten20.htm).
Und auf den Tellern?
Natürlich müssen wir auch beim Essen in wohlhabende und ärmere Familien unterscheiden. Hatte man mehr Geld, gab es spätestens an den Feiertagen den obligatorischen Braten. Wer nicht so gut betucht war, sparte oft wochenlang Lebensmittel, um Weihnachten daraus etwas zaubern zu können. Kurz nach dem ersten Weltkrieg sollen für die Frauen wohl sogar Rezeptvorschläge veröffentlicht worden sein, die beschrieben, wie man aus Abfällen und Resten ein schmackhaftes Menü zubereitet (https://www.watson.de/nachhaltigkeit/nachhaltig/487096831-was-wir-von-weihnachten-1920-ueber-nachhaltigkeit-lernen-koennen, 2020).
Offenbar hatten die Leute damals eine andere Vorstellung von schmackhaft als wir heute. Aber immerhin können wir uns glücklich schätzen, den Braten nicht aus dem Mülleimer zusammenbasteln zu müssen.
Tatsächlich war das Weihnachtsessen vor über 100 Jahren meist vegetarisch. Das lag allerdings weniger am Umweltbewusstsein der Leute als mehr an der Tatsache, dass Fleisch sündhaft teuer war.
Den guten alten Plätzchenteller gab’s früher auch schon. Makronen, Zimsterne, Lebkuchen und Pfeffernüsse durften in den 1920ern nicht fehlen, aber – Überraschung – eher bei reicheren Menschen. Wer nichts hatte, versuchte aus Mehl-, Zucker- und Fettresten einfache Ausstecher zu backen. Das aber dann meist in Gemeindehäusern mit anderen zusammen. Denn die wenigsten Armen hatten einen eigenen Backofen.
Weihnachten 2021.
Ich denke, die meisten Dinge machen wir zu Weihnachten in den jetzigen 20ern anders. Immerhin hat sich die letzten 100 Jahren Einiges getan (wäre auch schlimm, wenn nicht). Ein paar Sachen, finde ich, können wir uns aber trotzdem abschauen: Natürlich lag der Nachhaltigkeitsaspekt unserer Vorfahren eher daran, dass einfach kein Geld da gewesen ist. Aber den Schmuck für den Baum weiter zu vererben, ist echt schön. Genauso wie ein Geschenk einfach mal selbst zu machen. Oder mit anderen gemeinsam zu backen. Das kann man sich für’s nächste Fest ruhig merken.
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